14 Oktober 2024: Club of Rome und Wuppertal Institut machen Vorschläge, wie Umweltkrisen überwunden und gleichzeitig Demokratie und Wohlstand gesichert werden können.
Inmitten zahlreicher Krisen und verschärfter gesellschaftlicher Debatten scheinen wir vor der Wahl zu stehen: Retten wir die deutsche Wirtschaft, sorgen wir für ein würdevolles Leben für alle oder stoppen wir den Klimawandel? Das Wuppertal Institut und der Club of Rome machen in ihrem neuen Buch „Earth for All Deutschland“ deutlich, dass dies kein Widerspruch sein muss. Die Autor*innen richten dafür den Fokus auf mögliche Strategien und Maßnahmen zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen für Deutschland.
Das heute erscheinende Buch „Earth for All Deutschland: Aufbruch in eine Zukunft für Alle“, herausgegeben vom Wuppertal Institut und dem Club of Rome, soll Mut machen, denn: Wir können alle drei Ziele gemeinsam verfolgen – und die dafür notwendigen Lösungsbausteine können sich gegenseitig positiv ergänzen.
Auch wenn die globalen, miteinander zusammenhängenden Krisen sowie die zunehmenden sozialen Spannungen uns manchmal hoffnungslos komplex erscheinen, ist Resignation gerade jetzt fehl am Platz. Denn wir haben die Möglichkeiten zur Gestaltung einer lebenswerten Zukunft noch in der Hand. „Wir müssen den Blick viel stärker auf die Chancen und immensen Potenziale richten“, sagt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts. Er betont: „Die erforderlichen technischen und politischen Lösungsoptionen haben wir bereits. Nun kommt es jedoch darauf an, sie geschickt miteinander zu kombinieren und vor allem darauf, die sozialen und ökologischen Aspekte zusammenzudenken – dann ist eine nachhaltige Transformation möglich.“
Auf Basis einer aktuelle Datenanalyse, welche in Zusammenarbeit des Wuppertal Instituts und des Millennium Instituts durchgeführt wurde, entwarfen die Autor*innen zwei Zukunftsszenarien für Deutschland: einen die heutigen Krisen verstärkenden Weg des „Weiter so“ – also zu wenig und zu spät („Too Little, Too Late“) – sowie einen entschlossenen, auf strukturelle Veränderungen setzenden Transformationspfad (auch „großen Sprung“ oder „Giant Leap“ genannt).
Um gute Lebensbedingungen für alle langfristig sicherzustellen und Krisen resilient begegnen zu können, adressieren die Autor*innen die Notwendigkeit von fünf zentralen Kehrtwenden:
- die Armut beseitigen
- die Ungleichheit verringern
- die Selbstwirksamkeit stärken
- das Ernährungssystem umgestalten
- das Energiesystem transformieren
Hinzu kommt gerade in einem Land mit sehr hohem Ressourcenverbrauch wie Deutschland die Notwendigkeit der Umstellung von einer heute stark linear ausgerichteten Wirtschaftsweise auf eine Kreislaufwirtschaft.
Die Autor*innen beschäftigen sich in dem Buch mit den heutigen Fehlstellungen und zeigen beispielhaft auf, welche Lösungswege in jedem der Bereiche bestehen. Dabei stellen sie insbesondere heraus, dass es darauf ankommt, die Kehrtwenden mit einer gemeinsamen, ineinandergreifenden Strategie anzugehen. Die zentrale Aussage ist: Wenn alle Kehrtwenden intelligent gemeinsam umgesetzt werden, können sie sich gegenseitig stärken – jede Wende für sich alleine stehend, würde scheitern. Denn eine ökologische Transformation funktioniert nur dann, wenn alle die Chance haben, daran mitzuwirken und die sozialen Ungleichheiten abgebaut werden. Dafür müssen die Vor- und Nachteile fair verteilt sein und diejenigen besonders beitragen, die über entsprechende Ressourcen oder Mittel verfügen – andernfalls entsteht enormer Widerstand. Gelingt es uns, in der Gesellschaft technologische Lösungen im Verbund mit einem nachhaltigen Lebensstil umzusetzen, lassen sich Ressourcen sparen und Umweltbeeinträchtigungen vermeiden. Investitionen in eine derart gestaltete ökologische Transformation sind Investitionen in die Zukunft: Sie sind nicht nur notwendig, sondern auch finanzierbar, sozial mehrheitsfähig – und sorgen dafür, dass die Demokratie gestärkt wird.
Mit dem Buch erheben die Autor*innen in keinster Weise den Anspruch, alle Antworten auf die heutigen Herausforderungen geben zu können und einen abgeschlossenen Politik- und Maßnahmenmix vorzulegen. Sie verstehen das Buch eher als Diskussionsangebot für Politik, Gesellschaft und Wirtschaft und freuen sich auf den Diskurs. Im Rahmen einer Bundespressekonferenz sprachen die Autor*innen mit Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, darüber, warum es so wichtig ist, jetzt den großen Sprung zu wagen – uns so einen umfassenden Transformationspfad zu beschreiten. Weitere Diskussionsformate werden folgen.
„Eine sozial-ökologische Transformation ist angesichts unserer Herausforderungen der pragmatisch gebote Schritt – ein „weiter so”, ist der wirklich radikale Gedanke: Die Veränderungen durch die Klimakrise als auch die Kosten des Nicht-Handelns sind deutlich höher als die einer konsequenten Transformation. Allerdings enthält diese Umstellung eine intrinsische verteilungspolitische Komponente, weshalb ökologische und soziale Faktoren gemeinsam betrachtet werden müssen“, sagt Till Kellerhoff, Ko-Autor und Programmdirektor des Club of Rome.
Die deutsche Earth4All-Initative ist eingebettet in das internationale Earth4All-Projekt und beschreibt mögliche Lösungswege im nationalen Kontext. Mitautor Prof. Dr. Peter Hennicke, Mitglied des Club of Rome und Senior Advisor am Wuppertal Institut, betont: „Politikmaßnahmen müssen auf die einzigartigen Umstände jedes Landes und jeder Region zugeschnitten werden. Eine zusätzliche Ressourcenwende ist im Industrieland Deutschland beispielsweise besonders wichtig. Durch die gemeinsame Umsetzung – insbesondere mit den Kehrtwenden Energie, Ernährung und Ungleichheit – ergeben sich positive Synergieeffekte, die den Weg zur Wohlergehensgesellschaft abkürzen können.”