Earth4All

Ein neuer Bericht zeigt, dass durch die Umsetzung von „fünf außergewöhnlichen Kehrtwenden“, Armut und Ungleichheit in Österreich deutlich reduziert und gleichzeitig die Wirtschaft so umgestaltet werden kann, dass das Wohlergehen aller Österreicher:innen und gleichzeitig die Gesundheit unseres Planeten Erde gefördert wird. Gemeinsam mit 100 Expert:innen und Entscheidungsträger:innen hat das österreichische Chapter des Club of Rome dafür Vorschläge erarbeitet.  

Der Bericht untersucht zwei Szenarien. Das Szenario „Giant Leap“ zeigt, dass in Österreich bis 2050 fast alle Nachhaltigkeitsziele erreicht werden könnten, wenn fünf außergewöhnliche Kehrtwenden in den Bereichen Ungleichheit, Ernährung, Energie, Armut und der Ermächtigung (Empowerment) umgesetzt werden. Das alternative Szenario „Too Little Too Late“ dagegen zeigt wahrscheinliche Auswirkungen, wenn das Land seinen derzeitigen Weg fortsetzt, was in Stagnation auf allen Ebenen resultieren und damit einen Nährboden für weitere Krisen bieten würde.   

Eine vom Marktforschungsunternehmen Ipsos unter 1.000 Österreicher:innen durchgeführte Umfrage  zeigt eine starke Unterstützung für die von Earth4All vorgeschlagenen politischen Maßnahmen: 65 % der Österreicher:innen erkennen die Notwendigkeit rascher Maßnahmen in diesem Jahrzehnt, um die Menschen vor Klimawandel und anderen Umweltrisiken zu schützen. Um diesen Wandel zu finanzieren, befürworten die Österreicher:innen den Umfrageergebnissen zufolge nachdrücklich eine Besteuerung von Vermögen für die Reichsten der Gesellschaft und höhere Körperschaftssteuern.   

Der Bericht wurde basierend auf den Resultaten von Workshops zu den einzelnen Kehrtwenden, Expert:innneninterviews und wissenschaftlicher Modellierung erstellt um politische Hebel in den Bereichen Ungleichheit, Ernährung, Energie, Armut und Empowerment bereitzustellen, die speziell auf den österreichischen Kontext zugeschnitten sind. Die Interessenvertreter:innen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Industrie und Verwaltung, die an den Workshops teilgenommen haben, waren sich einig, dass eine neue Vision einer „Erde für alle“ (Earth4All) notwendig ist, um nachhaltiges Handeln anzuregen, und dass Schritte zur Steigerung der Akzeptanz politischer Maßnahmen für ihren Erfolg entscheidend sein werden.  

Österreich ist ein Land mit hohem Einkommen und einem überdurchschnittlichen Konsumniveau. Es ist auch eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen europäischen Länder. Österreich gehört in Europa zu den Spitzenreitern in Bezug auf Einkommens- und Vermögensungleichheit. 1 % besitzen mehr als 55 % des österreichischen Nettovermögens. Obwohl das Land in Bezug auf nachhaltige Landwirtschaft führend ist, konsumieren die Menschen jährlich doppelt so viel Fleisch wie der weltweite Durchschnitt. Das „Too Little Too Late“-Szenario veranschaulicht die gefährlichen sozialen und ökologischen Folgen hoher Ungleichheit und nicht nachhaltiger Konsumgewohnheiten für die österreichische Gesellschaft, wenn das Land seinen derzeitigen Kurs beibehält.  

Der Bericht zeigt jedoch, dass die Umsetzung der fünf Kehrtwenden neue sozioökologische Modelle mit einer höheren Produktivität, weniger Armut und Ungleichheit sowie deutlich geringeren CO2-Emissionen ermöglichen würde. Dies erfordert strenge Richtlinien für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und einen raschen Ausbau erneuerbarer Energien, der die Elektrifizierung vieler Sektoren ermöglicht.   

Weitere politische Hebel sind:   

  • Umverteilung des Wohlstands und progressive Besteuerung  
  • Verbesserung der Beteiligung und Chancengleichheit im Hinblick auf Arbeitnehmer:innenrechte und Bürgerräte  
  • Änderung der Ernährungsgewohnheiten  
  • Reduzierung von Überkonsum und Abfall und Umstellung auf nachhaltige Lebensmittelproduktion  
  • Umstrukturierung des Bildungssystems sowie 
  • deutlich höhere Preise für fossile Rohstoffe. 

Wichtig ist, dass diese Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen gemeinsam systemische Wirkungen entfalten können, die einander verstärken und so einen „Riesensprung“ erst ermöglichen. 

Der Bericht untersucht auch, welchen Beitrag Österreich zur Beseitigung der Armut auf globaler Ebene leisten könnte. Wichtige Bemühungen hierbei sind die Verschuldung einkommensschwacher Länder zu verringern, neue Wachstumsmodelle zu etablieren und die globale Finanzarchitektur umzugestalten.  

Eine Steuerreform würde Mittel für die im Bericht empfohlenen Transformationsmaßnahmen bereitstellen, und die neue Umfrage zeigt, dass die Österreicher:innen eine Reform sehr befürworten. 63 % unterstützen eine Vermögenssteuer zur Finanzierung von Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft, während 72 % eine Umweltsteuer und 67 % eine höhere Körperschaftssteuer für gutheißen.  

„Eine starke und vorhersehbare Politik erhöht die Wirksamkeit politischer Veränderungen, wobei im österreichischen Kontext der Sozialpartnerschaft eine wesentliche Rolle zukommt. Transparenz der Maßnahmen und ein effektives Monitoring ihrer Wirkungen erhöhen die Akzeptanz in der Bevölkerung“, erklärt Friedrich Hinterberger, Vizepräsident des österreichischen Chapters des Club of Rome, der die Erarbeitung des Berichts wissenschaftlich begleitet hat. 

„Entscheidend ist dabei auch, dass Klima-, Wirtschafts- und Verteilungspolitik zusammen wirken können und müssen“, um die erforderlichen Veränderungen zu erreichen“ ergänzt Hannes Swoboda, Präsident des österreichischen Chapters. 

Die Umfrage zeigt jedoch auch, dass dies für Österreich zu einer Herausforderung werden könnte: Nur 23 % der Menschen im Land vertrauen darauf, dass die Regierung Entscheidungen zum Wohle aller trifft, und nur 18 % vertrauen darauf, dass sie Entscheidungen trifft, die langfristig positive Auswirkungen haben. Dies liegt weit unter dem Durchschnitt der G20-Länder. Die Umfrage zeigte auch Unterstützung für eine Reihe vorgeschlagener Maßnahmen, beispielsweise gab es eine signifikant hohe Zustimmung (69 %), dass die Regierung die Arbeitnehmer:innenrechte stärken sollte.   

Die beiden Szenarien – „Too Little Too Late“ und „The Giant Leap“ – wurden erstmals in dem im September 2022 erschienenen Buch „Earth for All: A Survival Guide for Humanity“ vorgestellt. Das Buch kommt zu dem Schluss, dass noch Zeit zum Handeln bleibt, um die Risiken für die Gesellschaft erheblich zu verringern und wirtschaftliche Sicherheit und Wohlergehen für alle zu gewährleisten – und die fünf außerordentlichen Kehrtwenden sind die Mindestmaßnahmen, die erforderlich sind, um dies zu erreichen.   

„Das Giant Leap-Szenario bietet einen Ausweg aus der aktuellen planetaren Notlage und einen Weg zur Bekämpfung von Ungleichheit und Armut bis 2050. Wir sind uns jedoch bewusst, dass politische Lösungen auf die einzigartigen Umstände jedes Landes und jeder Region zugeschnitten sein müssen. Deshalb hat Earth4All nationale Engagementstrategien ins Leben gerufen, um lokal relevante Strategien, die auf ihre zentralen Herausforderungen und Bedürfnisse abgestimmt sind, zu fördern und zu etablieren, damit wir unsere Earth4All-Politikvorschläge in konkrete Maßnahmen vor Ort umsetzen können“, kommentiert Sandrine Dixson-Declève, Co-Präsidentin des Club of Rome, Co-Autorin von Earth for All und geschäftsführende Vorsitzende der Earth4All-Initiative.   

Der Bericht wird am 8. Juli 2024 auf der Klima Biennale Wien vorgestellt. More Info >